In Reaktion auf die trans*diskriminierenden Ereignisse in Medien, Internet und Universität der letzten Wochen, hat sich die Gruppe trans*bashback gegründet. Wir möchten uns mit einem offenen Brief gegen jede Trans*Diskriminierung zur Wehr setzen und uns mit Lann Hornscheidt solidarisch erklären.
Zum Unterschreiben kurze Mail mit den Daten, wie unterschrieben werden soll an: transbashback@riseup.net
Wir sammeln weiter Interventionen und Beiträge für diesen Blog – gerne per mail an oben stehende Mailadresse.
Der offene Brief: (Unterzeichnende hier)
Gegen Trans*-Diskriminierung!
Solidaritätserklärung für Lann Hornscheidt
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Geschlecht eine sehr wichtige Kategorie ist, mit der Menschen eingeteilt werden. Die Einteilung in entweder „Mann“ oder „Frau“ ist für viele Menschen stimmig und wird zumeist unhinterfragt als scheinbar naturgegeben hingenommen.
Nicht alle Menschen finden diese Einteilung für sich stimmig. Personen, die dieser bei Geburt vorgenommenen Zuschreibung („biologisches Geschlecht“) oder den daran geknüpften Erwartungen an Mannsein und Frausein („soziales Geschlecht“/ Gender) nicht entsprechen, werden problematisiert und sind bis heute massiver Diskriminierung ausgesetzt.
Die Medienhetze gegen Lann Hornscheidt verdeutlicht das Ausmaß an fehlendem Wissen, an Starrheit und Hass, mit dem in Deutschland auf Personen reagiert wird, die dem zweigeschlechtlichen Kategorisierungszwang nicht entsprechen können oder wollen.
Trans*-Diskriminierungen reichen von Angestarrtwerden, verbaler Gewalt durch Beschimpfungen und Drohungen über das Ausblenden der eigenen Lebensrealität im öffentlichen Diskurs – in Medien, in der Gesetzgebung und dem Bildungssystem – bis hin zu körperlicher/sexualisierter Gewalt oder sogar Mord.
Lann Hornscheidt forderte auf der eigenen Homepage für sich eine Ansprache ohne Geschlechtszuweisung – also beispielsweise mit der x-Form: „Profx“ statt „Professor“ oder „Professorin“, „x“ statt „seiner“ oder „ihrer“. Was darauf folgte, war eine massive Medienhetze in Zeitungen ebenso wie im Web2.0, die von neurechten bis in die sogenannten bürgerlichen Medienorgane reichte.
Ein beliebtes argumentatives Muster, das medial immer wieder und so auch hier Verwendung findet, wenn es um den Umgang mit von Diskriminierung betroffenen Personengruppen geht, ist das der „Neutralisierung“ oder „Umkehrung“. Wissenschaft, Schulbildung oder Sprache werden dabei als grundsätzlich neutral, objektiv und frei von Macht und Interessen dargestellt, während Emanzipationsbestrebungen in diesen Feldern als Machtanspruch übermächtiger Interessensgruppen interpretiert werden. In dieser Argumentationskette ist etwa die Rede von einem übermächtigen Staatsfeminismus, von Kadern oder von Homosexuellenlobby. Die Personengruppe, die von Zweigenderung und Heteronormativität profitiert und deren Risiko, Diskriminierung und Gewalt zu erfahren, am geringsten ist, inszeniert sich auf diese Weise als Minderheit und stellt sich als Opfer dar.
Lann Hornscheidt hat bei der sprachlichen Anwendung der x-Form keine allgemeingültigen Regeln aufgestellt. Es ging Lann Hornscheidt lediglich um die Selbstdefinition, das Recht sich selbst nicht in Zweigeschlechtlichkeit einordnen zu müssen und dafür Worte und Formen zu finden.
Auch die Broschüre der AG feministisch SprachHandeln will lediglich Vorschläge aufbringen, und Leute zum Nachdenken einladen. Doch selbst diese leise Intervention führt zu lauten Reaktionen, zu Niederbrüllen und Hass.
Diskriminierungen beginnen bereits bei der zweigeschlechtlichen Zwangszuordnung von Neugeborenen in entweder männlich oder weiblich. In diesem Zusammenhang werden in Deutschland immer noch semi-legale körperliche Zwangseingriffe inklusive Operationen zur „Geschlechtsvereindeutigung“ an intersexuellen Neugeborenen durchgeführt. Die offizielle Nicht-Anerkennung, Verwerfung und Pathologisierung von Menschen, die der Zweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen, wird insbesondere durch zweigeschlechtliche Staatsbürger/innenschaftsnormen und ihre institutionalisierte Durchsetzung in allen Lebensbereichen und öffentlichen Diskursen (Kita, Schule, Ausbildung, Forschung, Sozial- und Gesundheitswesen, Medien etc.) ermöglicht. Diese Normen schließen Menschen jenseits der Zweigeschlechternorm strukturell aus.
Diskriminierung und Gewalt gegen Trans*- und Interpersonen und auch gegen Queers, Lesben und Schwule sind Alltag. Diesbezügliche Verbesserungen mussten immer mühsam und gegen harte Widerstände erkämpft werden: Beispielsweise dass Frauen eine Hochschule besuchen dürfen und wahlberechtigt sind. Oder dass „homosexuelle Handlungen“ nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Das deutsche Transsexuellengesetz ermöglicht bestimmten Trans-Menschen, ihren Vornamen oder rechtlichen Personenstand zu ändern, schließt jedoch viele, die sich nicht „gegengeschlechtlich“ identifizieren oder sich nicht der geforderten psychiatrischen Zwangsbegutachtung samt Diagnose „Transsexualismus“ unterwerfen wollen oder können, von Vornamens- oder Personenstandsänderung aus. Bis 2011 mussten sich Trans-Menschen für die rechtliche Personenstandsänderung in Deutschland zwangssterilisieren lassen, was eine fundamentale Menschenrechtsverletzung auf körperliche Unversehrtheit und Recht auf Familie darstellte.
Die stattfindende äußerst gewaltvolle, transfeindliche und heterosexistische Medienhetze gegen Lann Hornscheidt kann nicht losgelöst von der staatlichen, institutionellen, kulturellen und alltagsweltlichen Diskriminierung von Trans*-, genderqueeren und Inter-Menschen betrachtet werden. Diese Hetze reiht sich ein in eine Kontinuität von entmenschlichenden Darstellungen und Hasssprache
gegen Trans- und gender-variante Personen. Diese Menschen werden als psychisch krank und „abnormal“ in den deutschen Medien und Universitäten dargestellt.
Bei der aktuellen Diskussion geht es fraglos um mehr als um eine spezifische Sprachform: Es geht um die Anerkennung von Menschen, die jenseits, zwischen, außerhalb der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit leben.
Wir solidarisieren uns mit Lann Hornscheidt und allen anderen, die von struktureller Trans-Diskriminierung und Gewalt betroffen sind!
Wir schließen uns zusammen gegen Entmenschlichungen, Demütigungen, Hetze und Gewalt gegen Menschen, die sich außerhalb der (hetero)normativen Zweigeschlechtlichkeit definieren!
Wir solidarisieren uns mit kritischen Wissenschaftler_innen, die gegen Trans-Diskriminierung, Heterosexismus und andere Herrschaftsverhältnisse Gesicht zeigen und die von anti-feministischer und/oder rechter Seite bedroht wurden oder werden!